RISIKO: Krebs-, Hitze- und Kreislauferkrankungen

Rehabilitationszone - einfach und gut (2015)

Plakat REHAB-Zone - Interschutz 2015 (bl) Erschöpfungen? Krebsrisiko? Checklisten, Schwarz-Weiss-Trennung und Ruhezonen machen Sinn!

Nach intensiven Übungen und Einsätzen sind Erschöpfungen normal und naturgemäß zu erwarten. Je nach Trainingszustand, Tagesverfassung, Umgebungsbedingungen und entsprechender Belastung sind jedoch auch Kreislaufbeschwerden oder Hitzeerkrankungen möglich. Auch tödliche Krankheitsverläufe sind durchaus dokumentiert (vgl. Unfalldatenbank www.atemschutzunfaelle.eu). Auch wenn die Risiken und Handlungsempfehlungen bekannt sind, sollte sich jeder Feuerwehrangehörige von Zeit zu Zeit mit dem Thema beschäftigen und seine Praxis bei Einsätzen und Übungen reflektieren.

Risikofaktoren erkennen und minimieren

Leichte Kleidung tragen, viel und rechtzeitig trinken und regelmäßige Pausen sind bei den Tätigkeiten der Feuerwehren natürlich nur begrenzt möglich, aber nicht grundsätzlich unmöglich: Bei Vegetationsbränden oder für Technische Hilfeleistungen muss keine mehrlagige Brandschutzbekleidung getragen werden. Regelmäßige (Trink-)Pausen sind insbesondere bei langanhaltenden Wald- und Flächenbränden unerlässlich. Statt Atemschutzgeräten reichen dichtschließende Schutzbrillen in Kombination mit Staubschutzmasken (FFP3 mit Ausatemventil). Spätestens 20 Minuten nach Einsatzbeginn sollte überprüft werden, ob eine „Marscherleichterung“ angeordnet werden kann, ohne die Einsatzkräfte stärker zu gefährden. Mit einer Marscherleichterung ist natürlich nicht die Fortführung von Arbeiten ohne Persönliche Schutzausrüstung gemeint. Einlagige PSA sollte jeder Feuerwehrangehörige griffbereit haben, um nicht unnötigerweise eine Hitzeerkrankung zu erleiden.

Bei Bränden in Gebäuden ist die vollständige Brandschutzbekleidung in jedem Fall unerlässlich, ebenso wie Chemikalienschutzanzüge bei Gefahrguteinsätzen getragen werden müssen. In beiden Situationen wird eine hohe körperliche Leistung verlangt und physiologisch ungünstige Kleidung getragen. Belastungen können mit der Limitierung von Aufenthaltsdauern im Gefahrenbereich, Einhaltung von Erholungszeiten und mit der ausreichenden Aufnahme von Getränken kompensiert werden.

Medizinische Überwachung und Versorgung

Überwachungsbogen mit BeispielwertenBlutdruckmessungSelbstverständlich läuft vieles automatisch und die Führungskräfte kümmern sich meist frühzeitig um Kompensationsmaßnahmen. Neben der Einhaltung der Einsatzstellenhygiene und der wichtigen Flüssigkeitsaufnahme machen bei größeren Lagen Ruhezonen Sinn. Die medizinische Versorgung bzw. Überwachung ist ebenfalls ein sehr wichtiger Punkt. Bei einer Feuermeldung, die eine „Zugstärke“ erfordert, sollte auch ein Rettungswagen zum Eigenschutz alarmiert werden und bis zum Einsatzende vor Ort bleiben. Die Alarm- und Ausrückeordnungen müssen dementsprechend aufgestellt sein, um keine Zeit zu verlieren.

Bei Einsatz- und Belastungsübungen sollte ebenfalls eine notfallmedizinische Versorgung organisiert sein. Im Rahmen der erweiterten Ersten Hilfe sollte neben einem Beatmungsbeutel auch ein Blutdruckmessgerät, ein automatischer Laiendefibrillator (AED) und möglichst auch Sauerstoff vorhanden sein. Aufgrund von tragischen Erfahrungswerten macht dieses Equipment auch in Ausbildungseinrichtungen Sinn und sollte zum Standard gehören. Eine Fortbildung entsprechend der Ausrüstung (AED-Training etc.) ist dabei nicht zu vergessen. Glücklich können sich Feuerwehren schätzen, die gute Kontakte zu Hilfsorganisationen oder eigene First Responder-Einheiten pflegen.

Vor und nach Übungen kann eine Kontrolle der Vitalparameter empfohlen werden. Da es keine gesicherten Grenzwerte zur zulässigen Höhe des Blutdrucks und der Herzfrequenz bei Einzel- oder Dauerbelastung gibt, können die nachfolgenden Beurteilungskriterien nur orientierenden Charakter haben. Im Ruhezustand, d. h. ohne Stress, sitzend in vollkommener Ruhe ist der Blutdruckwert bis zu 140/90 mmHg als normal anzusehen. Dieser Ruhewert soll fünf Minuten nach einer Belastung wieder erlangt werden. Da der Ruhewert aufgrund von Stress und Vorbelastung (Tragen von Ausrüstung...) höher sein darf, ist ein Grenzwert von max. 160/100 mmHg anzuerkennen. Die Herzfrequenz sollte vor der Übung 100 Schläge/Minute nicht überschreiten.

Vor- und Nachsorge

REHAB-Zone: HandcoolingAbsolute Nüchternheit und Gesundheit sollten ebenso selbstverständlich sein, wie der Verzicht auf eine Blutspende in den Stunden zuvor. Schon vor der Übung sollte ausreichend getrunken werden. Insbesondere vor einer Realbrandausbildung muss der Flüssigkeitshaushalt großzügig aufgefüllt werden. Für eine 20-30 minütige Belastung sollten 1,5 l Wasser/Apfelschorle zur Verfügung stehen. Das gleiche gilt für Einsätze, auch wenn je nach Anfahrtszeit geringere Mengen getrunken werden können, bevor die Maske aufgesetzt wird. Kleine Wasserflaschen finden in jedem Mannschaftsraum Platz und haben sich bewährt. Nach dem Einsatz und der erfolgten Einsatzstellenhygiene muss ausreichend getrunken werden. Zur Einsatzstellenhygiene sollte eine Grobreinigung (je nach Verschmutzungsgrad z. B. Abklopfen, Dekontamination mit Handfeger, nach Schaumeinsätzen → D-Rohr) und das Ablegen der kontaminierten Schutzkleidung sowie eine Händereinigung gehören. Verschmutzte PSA ist möglichst direkt nach dem Einsatz in verschließbaren Foliensäcken zu lagern, am besten unter Verwendung von Einmalhandschuhen. Foliensäcke, welche sich während der Reinigung vollständig auflösen, verhindern eine weitere Kontaminationsverschleppung. Solche Maßnahmen dienen u.a. der Verminderung von Krebsrisiken. In der PSA befindliche Schadstoffe können über die Haut und Atemwege aufgenommen werden und zu Krankheiten führen. Um die professionelle Reinigung zu gewährleisten, müssen die Taschen in der PSA geleert und die PSA auf links gezogen werden, bevor sie eingetütet werden. Das Entkleiden orientiert sich damit an der Dekontamination nach Gefahrguteinsätzen, zudem schont auf links gezogene Kleidung das Material. Durchsichtige Foliensäcke erleichtern später die Sortierung der PSA (Reinigung am Standort/Industrielle Reinigung) und die Suche nach vermissten Ausrüstungsgegenständen.

Folgeeinsätze an der Brandstelle sind zu unterlassen, wenn die PSA mit Wasser/Schweiß durchnässt ist. Das Risiko der Verbrühung muss ausgeschlossen werden. Die Pausenzeit für den Körper sollte mind. die doppelte Einsatzzeit betragen. Die gleichen Richtwerte gelten für Einsätze und Übungen gleichermaßen. Der DFV empfiehlt: „Zur Vermeidung von Überbelastungen darf ein Feuerwehrangehöriger max. zweimal pro Einsatztag für etwa 40 Minuten als Atemschutzgeräteträger eingesetzt werden. Danach sind mindestens zwei Stunden Ruhezeit zur Regeneration einzuhalten. Einsatzzeiten in Chemikalien- und Gasschutzanzügen dürfen bei Einsatztemperaturen von 20 bis 25°C max. 30 Minuten betragen. Bei Einsatztemperaturen über 35°C darf die Einsatzzeit max. 10 Minuten betragen. Danach sind mindestens zwei Stunden Ruhezeit zur Regeneration einzuhalten.“

Nach thermischen Belastungen bzw. bei der Gefahr einer Hitzeerkrankung sollte die Körperkerntemperatur gesenkt werden. Zugegeben: Wadenwickel sind im Feuerwehrdienst etwas umständlich. Aber: Eine Schuttmulde und Wasser findet sich an jeder Einsatzstelle und Ausbildungseinrichtung. Durch das Öffnen und Schließen der eingetauchten Hände („Pump“-Effekt) wird das Blut abgekühlt und mit dem Kreislauf wird die Körperkerntemperatur effektiv gesenkt. Die Art und Funktionalität der Kleidung variiert, aber alle sind (bewegungs-) einschränkend, sie reduzieren den normalen Kühlungsmechanismus des Körpers - Konvektion (Strahlung) und Verdunstung von Schweiß. Der Effekt/das Ergebnis kann von "bloß" unbequem, eventuell mit einer Reduzierung der Ausführungsmöglichkeit durch den Feuerwehrmann, bis hin zu Hitzekrankheit und körperlichem Kollaps mit folgendem Klinikaufenthalt reichen. Die Stärke des Hitzestresses hängt von vier Variablen ab... Lesen Sie den dreiseitigen Artikel von Dr. Douglas Smith, Institute of Naval Medicine -> Download.

Ruhezonen

REHAB-Unit der Feuerwehr Miami-DadeBei längeren Einsatz- und Übungslagen sollte eine strukturierte Ruhezone zur Rehabilitation und gesundheitlichen Überwachung eingerichtet werden. Kein Atemschutzgeräteträger sollte unbewacht, alleine und an einem nicht einsehbaren Ort ausruhen – im eigenen Interesse, da gefährliche Kreislaufveränderungen nicht bemerkt werden könnten. Nach der Abmeldung aus der Atemschutzüberwachung und natürlich der jeweils direkt zuständigen Führungskraft (i.d.R. der Fahrzeugführer) ist daher weiterhin eine gewisse Nachkontrolle nötig, ohne dass Feuerwehrangehörige dabei in „Watte gepackt“ werden müssten. Aber: Waschmöglichkeiten (z.B. Hygienebord), der Witterung angemessene Sitzgelegenheiten, frische Getränke und eine medizinische Überwachung sollten bedacht werden. Möglicherweise kann die vorhandene Infrastruktur an oder in der Nähe der Einsatzstelle genutzt werden, bevor feuerwehreigene Möglichkeiten genutzt werden. Hier seien Mannschaftstransportfahrzeuge, Pavillons, (Schnelleinsatz-)Zelte, faltbare Campingstühle, Abrollbehälter „Betreuung/Unterkunft“ etc. genannt. Analog zu der medizinischen Überwachung, insbesondere von Belastungs- und Realbrandausbildungen, eignen sich Überwachungsbögen für Ruhezonen. Sofern die medizintechnische Möglichkeit besteht, sollte auch der Gehalt von Kohlenmonoxid kontrolliert werden, um die CO-Belastung durch Rauchgase zu erkennen. Unabhängig von Symptomen spricht ein SpCO-Wert von 10% für eine Rauchgasinhalation. Die Körpertemperatur kann in den ersten 15 Minuten nach der Belastung weiter ansteigen und sollte gemessen werden. Eine weitere Betreuung ist ab 38°C ratsam und ein erneuter Einsatz/Übung sollte bis zur Temperaturabsenkung ausgeschlossen werden. Die Überwachung muss nicht zwingend vom Rettungsdienst begleitet werden, sofern qualifiziertes Personal aus Reihen der Feuerwehr zur Verfügung steht. Das Wissen über das Erkennen von Symptomen und zur Einleitung von Basismaßnahmen sind dabei wichtiger als das Equipment! Sofern keine Komplikationen auftreten oder erwartet werden, kann die während der Erholung geführte Dokumentation nach dem Einsatz entsorgt werden.

Organisation

Plakat SICHERHEITSASSISTENT - Interschutz 2015Die vorgestellten Möglichkeiten sind wichtig und müssen so konsequent wie möglich umgesetzt werden. Trotz des Wissens über Risiken und Lösungsansätzen fühlt sich in der Praxis oftmals niemand so richtig für die Details zuständig. Verantwortlich ist im Rahmen der Fürsorgepflicht der Einsatzleiter, aber auch jeder direkte Vorgesetzte, wie der Fahrzeugführer. Schon in eigenem Interesse ist natürlich jeder Feuerwehrangehörige hier auch eigenverantwortlich! Da der Einsatzleiter und seine Abschnittsleiter mit zahlreichen anderen Aufgaben ausgelastet sind, empfiehlt es sich, einen Assistenten an der Seite zu haben. In der Praxis wird dieser Assistenzjob bis dato oftmals mehr oder weniger funktionslos von nicht eingeteilten Führungskräften übernommen. Eine bessere Struktur kann durch die Einrichtung einer Funktion SICHERHEITSASSISTENT erwartet werden. Ein Sicherheitsassistent dient dem Einsatzleiter als zweites paar Augen und kann sicherheitsrelevante Aufgaben übernehmen. Ist der Sicherheitstrupp einsatzbereit am Zugang? Besteht die Notwendigkeit, einen schweren Sicherheitstrupp für einen Abschnitt zu stellen, der im Bedarfsfall den Sicherheitstrupp, z. B. mit einer Schleifkorbtrage, unterstützen kann? Sind Absperrungen nötig? Passen die Sicherheitsabstände? Kann bei der Recherche von sicherheitsrelevanten Informationen unterstützt werden? Sind Warn- und Messgeräte sinnvoll einsetzbar? Als „Anwalt“ aller Feuerwehrangehörigen ist auch die Gesundheitsvorsorge ein großes Thema für den Sicherheitsassistenten. Hierzu zählen insbesondere die oben genannten Lösungsvorschläge, die er einleiten bzw. im Auge behalten sollte. Durch ein strukturiertes und gemeinsames Bestreben kann eine nachhaltige Sicherheits- und Gesundheitskultur gefördert werden. Zur Bewahrung der empfindlichen Gesundheit sollten alle Möglichkeiten zur Verbesserungen der Arbeitssicherheit ausgeschöpft werden.

Wir bieten Ihnen die Schulung zum Sicherheitsassistenten an: Informationen zu den Tagesseminaren.

Download

Gerne stellen wir unsere Unterlagen für die Verwendung in den Feuerwehren zur Vefügung:

Veröffentlichungen zur REHAB-Zone

Taschenkalender FEUERWEHR, Ausgabe 2016

Fachzeitschrift FEUERWEHR, Ausgabe 6 und 7/8 in 2015

Quellen

Positive Beispiele - Bildergalerie

(bl) Wir freuen uns sehr über jede Ideenumsetzung zur Verbesserung der Arbeitssicherheit. An dieser Stelle veröffentlichen wir positive Beispiele zur gesundheitsbewussten Denke bei Übungen und Einsätzen. Wir möchten Euch motivieren die Gesundheit weiter in den Vordergrund zu stellen. Die Bildquellen sind jeweils im Bilduntertitel angegeben. Alle Bilder sind uns zur Nutzung auf dieser Seite zur Verfügung gestellt worden. HERZLICHEN DANK an alle Fotografen und Feuerwehren.

August 2015 - Quelle: www.swissfire.ch 10. Juli 2015 - Schwarz-Weiss-Trennung nach Innenangriff - Brandweer Rotterdam (NL), Foto: Sander Boer (https://twitter.com/POL_Boer) 10. Juli 2015 - Schwarz-Weiss-Trennung nach Innenangriff - Brandweer Rotterdam (NL), Foto: Sander Boer (https://twitter.com/POL_Boer) 13. Mai 2015 - Großbrand in Futtermittelwerk - Rehab-Zone in einer Kantine, med. Überwachung durch die Malteser-SEG 2 - https://www.facebook.com/feuerwehrachmer seit 2008 (nicht immer konsequent, aber man bemüht sich) - Überwachung von Blutdruck und Puls VOR und NACH Belastungsübungen (durch Erste-Hilfe-Team) - https://www.facebook.com/feuerwehrachmer 3. Juli 2015 - Gefahrguteinsatz in sommerlicher Hitze - www.feuerwehr-ursensollen.de Grob-Dekon nach Schaumeinsatz - Foto: Swanntje Hehmann 5. März 2015 - Großbrand - REHAB-Unit der Feuerwehr Miami-Dade (USA) 5. März 2015 - Großbrand - REHAB-Unit der Feuerwehr Miami-Dade (USA) 5. März 2015 - Großbrand - REHAB-Unit der Feuerwehr Miami-Dade (USA)

Einsatzstellenhygiene am Beispiel der Feuerwehr Mannheim

Die Feuerwehr Mannheim besitzt sog. Poolkleidung, es gibt also keine persönlich zugeordnete Einsatzkleidung. Wird Einsatzkleidung im Einsatz verschmutzt oder kontaminiert, rückt von der Wache Süd der GW-LOG mit zwei Mann aus. Der Feuerwehrmann muss dann an der Einsatzstelle seine persönlichen Sachen (z.B. Türkeil, Bandschlinge usw...) aus den Taschen entnehmen. Er steigt danach in den hinteren Teil des Fahrzeugs, den Schwarz-Bereich. Dort kann er geschützt seine Einsatzkleidung ablegen. Jacke und Hose werden in ein Wäschenetz gepackt und anschließend in einem Plastiksack luftdicht verschlossen. Dieser Plastiksack wird in das Schmutzwäschefach im Fahrzeug geworfen. Jetzt hat der Entkleidete die Möglichkeit zu duschen bzw. sich grob zu waschen, bevor er den Weiß-Bereich im vorderen Teil des Fahrzeuges betritt. Hier kann er bei Bedarf eingeschweißte Unterwäsche und T-Shirts nutzen. Zum Abschluss sucht er sich im Weiß-Bereich eine Jacke und eine Hose in seiner Größe heraus und tritt durch die vordere Seitentür aus dem Fahrzeug heraus. Das Schmutzwäschefach wird durch eine Seitenklappe von außen entleert. Dies geschieht in der Regel auf der Wache. Die luftdicht verpackten Plastiksäcke kommen direkt in eine Waschmaschine, die Plastiksäcke lösen sich während des Waschvorganges auf.

Einsatzstellenhygiene am Beispiel der Feuerwehr Mannheim Einsatzstellenhygiene am Beispiel der Feuerwehr Mannheim Einsatzstellenhygiene am Beispiel der Feuerwehr Mannheim

Quelle: BOI Bernd Meyer, Leiter Stabsstelle FF/WF der Feuerwehr Mannheim

Hitzschlag als heimtückische Gefahr (2003) - Erkenntnisse aus Schweden

(mkl) Selbst bei einer Übung gilt es, auf die Gefahr der Hitzeerschöpfung zu achten. Die in Norwegen bei Atemschutzübungen gemachten Studien zeigten, dass die Körpertemperatur der Feuerwehrleute bis auf 39-40 Grad ansteigt. Die Frage ist, ob in der Übung ausreichend Zeit für Abkühlung gegeben wird, bevor man den nächsten Durchgang macht, fragt sich der Arzt Johan Berge.

Der Atemschutzgeräteträger, der im Mai 2003 in Norrköping (vgl. Bericht) umkam, erlitt wahrscheinlich einen Hitzschlag. Der Hitzschlag stellt für ungeübte Feuerwehrleute eine heimtückische Todesgefahr dar.

Wenn man den kritischen Punkt erreicht, an dem die Körpertemperatur bis auf 41 Grad gestiegen ist, können entsprechende Symptome unglaublich schnell auftreten, so Johan Berge, Arzt an der Rechtsmedizinischen Abteilung des Universitätskrankenhauses Linköping.

Es gibt zwei Arten von Hitzeschlag. Den sog. "klassischen Hitzeschlag" erleiden in der Regel ältere Personen in einem schwachen Gesundheitszustand, die extremen Temperaturen ausgesetzt sind. Der zweite Typ wird der durch die Anstrengung ausgelöste Hitzschlag benannt. Er trifft junge, gut trainierte Personen, die sich einem Extremtraining oder körperlicher Anstrengung aussetzen, ohne dass sie auf die körperlichen Signale achten.

Vier Möglichkeiten zum Abkühlen

Der Körper verfügt über vier Möglichkeiten um Wärme abzuführen:

Die hauptsächliche Wärmeabgabe erfolgt über die Strahlung und durch Schwitzen. Die Schutzkleidung und die Umgebung, in welcher er arbeitet, ermöglicht beides. Der Atemschutzgeräteträger arbeitet im Innenangriff physisch sehr hart, dadurch erhöht sich seine Körpertemperatur. Gleichzeitig ist er einer hohen Außentemperatur ausgesetzt.

Schwitzen als einziger Weg

Ist die Umgebungstemperatur ähnlich oder höher als die Körpertemperatur, erfolgt keine Wärmeabgabe durch Strahlung. In diesem Fall ist Schwitzen die einzige Abkühlungsmöglichkeit. Ist aber der Feuchtigkeitsgehalt innerhalb der Kleidung hoch - bis auf 100% - kann der Schweiß nicht verdampfen. Abkühlung unterbleibt und die Körpertemperatur steigt an. Wenn die Körpertemperatur sich der gefährlichen Grenze von ca. 41 Grad nähert, ist das Risiko groß, dass der Körper falsch reagiert.

Schließlich ist die Blutzirkulation so strapaziert, dass es schwer ist, den Blutdruck im Gehirn aufrecht zu erhalten und dies führt zum Sauerstoffmangel. Bevor man die kritische Temperatur erreicht, bei welchem das Gehirn ernsthaft beeinflusst wird, erfährt man am häufigsten (meistens) Symptome der Hitzeerschöpfung wie z.B. Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Muskelschmerzen. Wenn man den kritischen Punkt erreicht, bei welchem die Körpertemperatur auf 41 Grad angestiegen ist, können diese Symptome unglaublich schnell auftreten. Man kann Muskelkrämpfe bekommen, Orientierung verlieren, verwirrt werden oder sich seltsam verhalten. Danach fällt man ins Koma, so Johan Berge.

In Studien über Atemschutzgeräteträger (u. a. in Norwegen) wurde eine erhöhte Körpertemperatur von 39-40 Grad direkt nach dem Ende einer Realbrandübung gemessen. Johan Berge fragt sich, ob auch bei einem langwierigem Innenangriff gewährleistet wird, dass ausreichend lange Pausen die Körpertemperaturen regulieren.

Ein Fehltritt genügt

Ingvar Holmér, Professor der Klimaphysiologie an der Technischen Hochschule Lund hat im Auftrag der Rettungswerke mehrere Tests durchgeführt. Bereits bei 39-40 Grad ist man so erschöpft, dass nur ein Fehltritt genügt, um nicht mehr heraus zu kommen. Man kann ein Blackout bekommen oder in Ohnmacht fallen, so Ingvar Holmér. Es ist sehr wichtig, dass eine Person, die einen Hitzschlag erlitten hat, schnelle medizinische Hilfe bekommt. Wenn innerhalb von zwei Stunden keine Behandlung erfolgt, liegt die Sterblichkeit sehr hoch.

Arbeitsministerium untersucht die Einsatzgarnitur

Nach dem tödlichen Unglück in Norrköping ist die Frage nach der Funktion der Einsatzgarnitur laut geworden. Ist sie zu dicht? Das Arbeitsumweltamt will die Sache nun untersuchen.

"Der Verstorbene hatte sehr viele Kleider unter der Einsatzgarnitur und wir wollen wissen, ob dies irgendeine Bedeutung hatte", so Brigitta Karlsson vom Arbeitsministerium. In den Diskussionen wird besprochen, ob es möglich wäre, die Einsatzkleidung an gewissen Stellen dünner zu machen, um auf diese Art und Weise früher eine Warnung zu bekommen.

Wie auch Dan Carlsson, Projektleiter der Einsatzgarnitur RB-90 hervorhebt, ist es schwierig. Das geht nicht, dann entspricht man nicht dem Standard. Dagegen kommt die Hitze in der Praxis durch die Kleider an der Stelle, wo die Kleider am "dünnsten" sind. D. h. an den Stellen, wo die Kleidung gegen den Körper drückt wie z. B. an Ellenbögen und Knien. Auf die Art und Weise wird man zeitig "gewarnt". Normalerweise wird der gesamte Wärmeschutz in die Außenkleider eingebaut, denn die Außen- und Innenkleider stammen von unterschiedlichen Herstellern. Zu viele Kleider unter einer Einsatzgarnitur können die physische Belastung erhöhen. Um der Gefahr für zu "dichte" Kleider entgegen zu wirken, versuchten wir aus Schweden die Forderung nach Wasserdampfwiderstand und Wasserdampfdurchlässigkeit in den Standard einzuführen, bekamen aber kein Gehör. Die Forderung findet man bei der nun andauernden Prüfung des Standards.

Quelle: SIRENEN Nr. 7, 2003 (Räddningsverkets Tidning, Artikel von Gunno Ivansson)

Hinweis: Schweden führte 1990 den einheitlichen Schutzanzug RB 90 ein. Dieser Anzug besteht aus Überhose mit Auffanggurt und einer Überjacke mit Kapuze. Unter der Überkleidung wird eine Unterkleidung, inkl. Feuerschutzhaube getragen.

Bitte beachten Sie im Rahmen der Diskussion um ein Wärmefenster auch den Beitrag in der Rubrik Schutzkleidung!