Versehentliches Schließen von Flaschenventilen

Problembeschreibung und Lösungswege

Typisches Ventil in Deutschland (Foto: Björn Lüssenheide, 2005)Leider kommt es gelegentlich vor, dass sich Atemschutzgeräteträger das Flaschenventil versehentlich selbst schließen. Dieses Phänomen tritt bei Übungen und Einsätzen auf. Bei bestimmten Bewegungsabläufen (u.a. auch unter CSA Form III möglich) kann sich das Ventil schließen. Das Risiko kann durch das vollständige Öffnen der Flaschenventile verringert, jedoch nicht verhindert werden.

Die damalige DMT Fachstelle Atemschutz (heute Dekra) veröffentlichte bereits 2002 das Infoblatt "Selbstständiges Schließen von Flaschenventilen".

Technisch gelöst werden kann das Problem durch Ventile mit "Kindersicherung" und/oder abgewinkelte Ventile. Auf den Bildern sehen Sie Flaschenventile, wie Sie beispielsweise in Schweden oder Polen Verwendung finden.

Typisches Ventil in Schweden (Foto: Björn Lüssenheide, 2003) Typisches Ventil in Polen (Foto: Björn Lüssenheide, 2013)

Atemschutzunfaelle.eu beschreibt das Problem und Lösungsansätze seit vielen Jahren, beispielsweise im Feuerwehr-Magazin Sonderheft Atemschutz (2017).

Vorschlag für ein Training:

Impuls: Problem anhand kritischer Ereignisse erläutern

Training: Reflexartiger Griff zum Flaschenventil

Level 1

Level 2

Level 3

Eine ständige Sicherheit muss bei diesem Training gewährleistet werden. Die Ausbilder müssen die Teilnehmer sehr gewissenhaft anleiten und das Level steigern. Gefährdungen sind selbstverständlich auszuschließen.
Bereits in unserer Ausbildungsempfehlung aus dem Jahr 2011 gibt es eine Idee um Atemschutzgeräteträger entsprechend auszubilden.

Die Teilnehmer werden durch diese Art des Trainings handlungsorientiert ausgebildet, werden stressresistenter und lernen den Umgang mit der Technik. Das linksdrehend zu öffnende Flaschenventil entspricht einem normalen Ventil/Schraube, dennoch ist es für manche Menschen verwirrend zu bedienen (hinter dem Rücken, möglicherweise unter Stress). In diesem Training kann zudem festgestellt werden, ob Teilnehmer das Flaschenventil überhaupt sicher erreichen können. Dieses Problem ist zwar selten, muss jedoch Beachtung finden und kann selbstverständlich auch beim Training "Ausrüsten auf Zeit" in der Fahrzeugkabine erfahren werden. Diese zwei Übungsvorschläge sind üblicherweise nicht in den Musterausbildungsplänen zum Atemschutzgeräteträger zu finden, wodurch die Probleme erst nach der Ausbildung zum Atemschutzgeräteträger auffallen.

Kritische Ereignisse

Im Folgenden finden Sie einige Zwischenfälle die wir veröffentlichen durften. Bitte bedenken Sie, dass es leider KEINE Meldepflicht gibt und wir lediglich die Spitze des Eisbergs präsentieren können. Wenn Sie uns Vorfälle melden möchten, nutzen Sie gerne unseren Meldebogen.

März 2023 - Innenangriff - Flaschenventil unbeabsichtigt geschlossen

(bl) Oldenburg (Niedersachsen). Im März ereignete sich ein kritischer Zwischenfall bei einer Brandbekämpfung mit Innenangriff im Zusammenhang mit einem Atemschutzgerät. Beim Brandobjekt handelte es sich um einen zweigeschossigen Anbau an eine Doppelhaushälfte (Bausubstanz aus den 1950er oder 1960er Jahren). Das Gebäude war von den Versorgungsunternehmen bereits vor längerer Zeit von den Netzen getrennt worden, im Gebäude erschwerte eine große Menge Unrat sowohl das Fortkommen, als auch die Erkundung und das Auffinden der Brandstelle. Während der Rauch sich im gesamten Gebäude verteilte, war das Feuer auf einen kleinen Bereich im Erdgeschoss beschränkt.

Der Trupp befand sich nach einer Erkundung im Obergeschoss auf dem Weg ins Erdgeschoss. Beim Begehen einer Treppe mit erheblicher Sichtbehinderung durch Rauch kam es zu einer Unterbrechung der Luftversorgung, sodass der Atemschutzgeräteträger am unteren Ende der Treppe keine Luft mehr bekam. Über einen zuvor erkundeten alternativen Ausgang gelangte der Trupp ins Freie. Aufgrund der einsetzenden Luftnot und des sehr kurzen Fluchtweges ins Freie (ca. 2 m und Ausgang in Sicht) wurde kein vollständiger Mayday-Spruch gem. 7.6 FwDV 7 vor der Selbstrettung abgesetzt, sondern der Fahrzeugführer unmittelbar nach Erreichen des sicheren Bereiches über den Vorfall informiert.

Obwohl kein Personenschaden entstanden war, wurde das Atemschutzgerät (bestehend aus Dräger PSS 7000, Lungenautomat PSS LA, Dräger CFK-Flasche mit Textilüberzug und Dreieckshandrad am Flaschenventil) umgehend in die Atemschutzwerkstatt gebracht und von zwei Atemschutzgerätewarten auf Mängel untersucht. Dabei wurden keine Anhaltspunkte gefunden, die auf ein technisches Versagen hindeuten. Das Gerät hat allen Anforderungen an Atemschutzgeräte für die Verwendung im Feuerwehreinsatz genügt und war gemäß einschlägiger Regelwerke geprüft. Am Gerät selbst wurden bei der Untersuchung nach dem Unfall frische Schleifspuren festgestellt, die sehr wahrscheinlich durch Kontakt mit den Wänden des Brandobjektes entstanden sind.

Die Befragung des Trägers ergab, dass das Ventil beim Verlassen des Gefahrenbereichs geschlossen war. Als wahrscheinliche Ursache für die Unterbrechung der Luftversorgung gilt daher, dass es beim Hinabsteigen der Treppe zu einem Kontakt zwischen Ventilrad und Wand gekommen ist, wobei sich das Ventil geschlossen hat. Unklar ist, ob das Ventil vor dem Betreten des Gefahrenbereichs vollständig geöffnet war. Auch Eisbildung im Bereich des Ventils mit einhergehender Querschnittsverengung wäre denkbar.

Quelle: Feuerwehr Oldenburg

2023 - Belastungsübung - Flaschenventil unbeabsichtigt geschlossen

(bl) Im Rahmen der Belastungsübung kam es zu einem kritischen Ereignis in der Kriechstrecke. Der zwote Trupp holte zum Ende hin den ersten Trupp ein. Auf einmal zog sich der Truppmann des zwoten Trupps die Maske vom Kopf, da er laut eigener Aussage keine Luft mehr bekam. Es stellte sich heraus das sich seine Flasche zugedreht hatte (dreieckiges Flaschenventil). Der Kamerad war erst seit kurzer Zeit Atemschutzgeräteträger. Nach Befragung stellte sich heraus, dass er den Reflexgriff nicht durchgeführt hatte und es im Rahmen seines Lehrgangs auch nur angesprochen wurde (kein Training).

2023 - Belastungsübung - Flaschenventil unbeabsichtigt geschlossen

(bl) Bei der jährlichen Belastungsübung rüstete sich ein Zwei-Mann-Trupp aus und führte die Einsatzkurzprüfung durch. Anschließend ging der Trupp in die Übungsstrecke vor. In der Strecke ereignete sich dabei ein Zwischenfall: An dem Gerät eines Kameraden war die Restdruckwarnung für sehr kurze Zeit zu hören, anschließend riss sich der Kamerad die Maske vom Gesicht.

Das Flaschenventil (gerade, "dreieckiges" Handrad) hatte sich unbeabsichtigt in der Strecke geschlossen. Ein Reflexgriff zum Flaschenventil hat nicht stattgefunden. Wie im Nachgespräch zu erfahren war, öffnete der Kamerad bei der Einsatzkurzprüfung das Flaschenventil vollständig und drehte dieses anschließend eine halbe Umdrehung zurück.

2022 - Realbrandausbildung - Luftnot

(bl) Realbrandausbildung in einem feststoffbefeuerten Brandübungscontainer. Ein 2er-Trupp ist mit einem Ausbilder vorgegangen. Nach dem Durchlaufen der verrauchten Kriechstrecke versagte die Luftzufuhr von einem Feuerwehrangehörigen (FA 1). Dieser signalisierte dies dem Ausbilder, woraufhin Trupp und Ausbilder über den Notausgang die Anlage verließen. Draußen angekommen wurde festgestellt, dass das Flaschenventil von FA 1 zugedreht war. Der betroffene FA 1 hatte bisher kein Atemschutznotfalltraining absolviert, weshalb der „Ventilreflex“ nicht bekannt war.

Das Truppmitglied (FA 2) war sich anschließend unsicher, ob er das Flaschenventil von FA 1 in die richtige Richtung geöffnet hatte. FA 2 drehte das Flaschenventil nach Anschlag eine Umdrehung zurück. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass das Ventil bereits vor dem Betreten der Anlage fast geschlossen war.

Beide Truppmitglieder berichteten später, dass der Ventilreflex vermutlich nicht funktioniert hätte, da die Ventile durch den getragenen Poncho nicht erreichbar waren.

1. September 2018 - Realbrandausbildung - Luftnot

Hörstel (D)/Enschede (NL). Realbrandausbildung in mehrgeschossiger Containeranlage des Twente Safety Campus - TRONED (Enschede, Niederlande). Ein Angriffstrupp ging nach positiver Kurzprüfung des Atemschutzgeräts mit einer gefüllten C-Leitung über die Außentreppe in den Brandraum (1. OG) vor. Nach einer Türprozedur ging der Trupp im Seitenkriechgang vor, setzte das C-Rohr ein und öffnete ein Fenster (Sichtverbesserung + Temperatursenkung). Weitere 4 m weiter wurde ein Brand unter der Innentreppe gefunden, welcher nicht kontrolliert werden konnte. Ein weiterer Angriffstrupp wurde eingesetzt.

10 Minuten nach dem Anschluss des Lungenautomaten bekam der Truppmann des ersten Trupps plötzlich keine Luft mehr. Der Truppmann rannte die bekannten 4 m zu dem offenen Fenster, lehnte sich aus dem Fenster und zog sich die Atemschutzmaske aus. Der Truppführer setzte parallel einen Mayday-Ruf ab. Von Außen wurde umgehend eine Steckleiter in Stellung gebracht. Innerhalb weniger Sekunden waren der bereits eingesetzte zweite Trupp und zwei der vier Ausbilder an der Unfallstelle im Gebäude.

Der Angriffstruppmann bemerkte selbstständig, dass sein Flaschenventil geschlossen war und öffnete es wieder. Es waren immer noch 150 bar Luft in der Flasche, sodass er sich die Maske wieder aufsetzte und das Gebäude in Begleitung der anderen Kräfte über den baulichen Weg verlassen konnte. Glücklicherweise wurde keiner der eingesetzten Feuerwehrkräfte verletzt.

Bei dem eingesetzten Atemschutzgerät konnte kein technischer Defekt festgestellt werden. Es ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit der Fall, dass sich das Flaschenventil während der Brandbekämpfung auf der Treppe, durch Bewegungen des Geräteträgers ungewollt geschlossen hat. Bei dem betroffenen Flaschenventil handelte es sich um ein rundes Handrad.

Positive Einflüsse:

Weitere Details: Bericht der Feuerwehr Hörstel

Quelle: Feuerwehr Hörstel

30. März 2016 - Übungsstrecke - Luftnot

Harburg (Niedersachsen). Beim Durchgang durch die DIN-Übungsstrecke der Freiwilligen Feuerwehr im LK Harburg bekam ein Atemschutzgeräteträger nach kurzen Pfeifsignal plötzlich keine Atemluft mehr. Der drillmäßig trainierte Reflexgriff an das Flaschenventil zeigte, dass sich das Ventil während der Übung zugedreht hatte. Das Öffnen das Ventils behob das Problem. Dieser Vorfall ereignete sich kurz vor dem Verlassen der Übungsstrecke im Bereich der eingebauten Industriestrecke.

Quelle: Lars Seeger

20. Februar 2015 - Übung mit Sofortrettung - Luftnot

Posen (Polen). An der Schule für Berufsfeuerwehren in Posen wurde ein Übung "Kellerbrand mit Atemschutznotfall" absolviert. Während ein Angriffstrupp mit dem C-Rohr vorging, unterstützte ein dritter Atemschutzgeräteträger den Schlauch nachzuführen. Am Zugang stand ein Sicherheitstrupp bereit. Im Verlauf der Übung wurde ein Atemschutznotfall simuliert. Ein Truppmitglied "kollabierte" und sollte vom Sicherheitstrupp gerettet werden. Der "Bewusstlose" wurde am Boden liegend gezogen. Während dieser Sofortrettung wurde unbemerkt das Flaschenventil zugedreht. Der "Bewusstlose" riss sich die Maske vom Gesicht. Quelle: Waldemar Pruss

Genutzt wurde ein Atemschutzgerät vom Typ MSA AirMaxx mit CFK-Flasche. Vermutlich wurde das Flaschenventil vor der Übung nicht ganz geöffnet.

10. November 2014 - Kellerbrand - Luftnot - ein FA verletzt

Schwarzenbek (Schleswig-Holstein). Intensiver Kellerbrand in einer Doppelhaushälfte. Parallel zur Brandbekämpfung im Keller, stieg ein Angriffstrupp zur Personensuche über die Drehleiter in das Dachgeschoss ein. Einer der beiden Atemschutzgeräteträger erlitt auf dem Weg in das Erdgeschoss plötzliche Luftnot. Der Feuerwehrmann konnte sich selbst retten. Aufgrund der Luftnot kurz vor dem Ausgang, musste er jedoch die Maske kurz vom Gesicht ziehen und atmete Rauch ein. Eine klinische Untersuchung blieb jedoch glücklicherweise ohne Befund. Wahrscheinlich wurde das Flaschenventil in dem sehr engen Treppenraum unbeabsichtigt geschlossen. Der bereitstehende Sicherheitstrupp (inkl. Rettungsset) wurde nicht tätig.

Ausführlicher Bericht mit Bildern

Quelle: Feuerwehr Schwarzenbek

November 2007 - Realbrandausbildung - Luftnot

Osnabrück (Niedersachsen). Während dem Training in einer Rauchdurchzündungsanlage erlitt ein Ausbilder Luftnot. Er erkannte, dass seine Flasche versehentlich geschlossen wurde (durch Bewegungsabläufe). Der Kollege entschied sich zum sofortigen Rückzug, da der Weg ins Freie sehr kurz war. Anmerkung: Das Flaschenventil war komplett geöffnet.

Quelle: Berufsfeuerwehr Osnabrück, Kamera: GAL 2007

10. September 2003 - Wohnungsbrand - Luftnot

Koblenz (Rheinland-Pfalz). Nach einem Wohnungsbrand mit einem Brandtoten und mehreren gefährdeten Menschenleben kam es zu einem unbeabsichtigten Schließen eines Flaschenventiles. Der betroffene Kollege drehte sich das Ventil beim heraustragen der Leiche an der Wand des Treppenhauses zu. Ein solcher Vorfall war in Koblenz bis dato noch nicht bekannt geworden.

Bei dem gleichen Einsatz erlitt der 1. Angriffstrupp leichte Verbrennungen im Gesicht.

Quelle: Feuerwehr Koblenz

17. Juli 2002 - Realbrandausbildung - Luftnot

Osnabrück (Niedersachsen). Während einer Übung in der Rauchdurchzündungsanlage bekam ein Feuerwehrmann Luftnot. Er flüchtete aus der Anlage und riss sich die Maske vom Kopf. Das Flaschenventil hatte sich während dem Durchgang (Seitenkriechgang, Rauchgaskühlung...) "selbst" geschlossen.

Quelle: Björn Lüssenheide (Augenzeuge)

Anmerkung von dem betroffenen Feuerwehrmann: Die Flasche vom PA war bestimmt ganz geöffnet. Ich habe mich bei diesem Durchgang mind. sieben mal auf den Rücken gelegt. Bei sieben bis acht solcher Bewegungen kann das Ventil geschlossen werden. (Habe es noch einmal getestet).