Beinaheunfälle im Jahr 2005
(5 Zwischenfälle)
Hinweis: in der Statistik sind auch Unfälle enthalten die bisher nicht veröffentlicht wurden. Daher kann es vorkommen, dass die Gesamtzahl der betroffenen FA die Summe der in den Berichten erwähnten übersteigt.
(ar) USA - Beim Brand eines eingeschossigen Wohnhauses kam es zu einer schnellen Brandausbreitung im Bereich des Daches. Die Einsatzleitung stellte fest, dass die Trupps, die unterhalb des Brandes arbeiteten, durch den möglichen Einsturz des Daches gefährdet waren und ordnete daher deren Rückzug an. Dies war notwendig, da der Brand von den Trupps aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht wahrgenommen werden konnte. Die wiederholt verbal und per Funk gegebenen Aufforderungen zum Rückzug wurden von den Trupps jedoch nicht wahrgenommen bzw. bestätigt. Daher mussten weitere Kräfte eingesetzt werden, um die betreffenden Trupps aus dem gefährdeten Bereich zu entfernen. Aufgrund der ergriffenen Maßnahmen wurde niemand verletzt.
Aus diesem Beinaheunfall wurden bei der betroffenen Feuerwehr (Name und Ort wurden anonymisiert) folgende Erfahrungen gewonnen:
- Die Kommunikationswege müssen überwacht und instand gehalten werden
- Die Mannschaft muss einsehen, dass manchmal auch Befehle gegeben werden, deren Gründe der Mannschaft nicht ersichtlich sind. Eine Missachtung derartiger Befehle aufgrund persönlicher Lageeinschätzung kann nicht akzeptiert werden.
Quelle: www.firefighternearmiss.com
(ar) USA - Beim Brand einer Reifenhandlung war auf der nicht brennenden Seite des Gebäudes (von dieser Seite ging die Feuerwehr vor) nur geringe Rauchentwicklung zu beobachten. Ein Safety Officer (Führungsdienstgrad, dessen Aufgabe es ist, alle Maßnahmen auf ihr Risiko hinzu prüfen) nahm eine vollständige Umrundung des Gebäudes vor und stellte fest, dass von dem Zeitpunkt an, ab dem Trupps in das Gebäude eindrangen, sich die Rauchbedingungen auf einer anderen Gebäudeseite stark änderten. Dies wurde der Einsatzleitung mitgeteilt, welche daraufhin anordnete, dass alle Trupps sich aus dem Gebäude zurückziehen müssen. Ein oder zwei Minuten nach diesem Befehl stand das Gebäude im Vollbrand; glücklicherweise konnten alle Feuerwehrleute das Gebäude verlassen, bevor es zu diesem Flashover kam.
Aus diesem Beinaheunfall wurde bei der betroffenen Feuerwehr (Name und Ort wurden anonymisiert) folgende Erfahrung gewonnen:
- Die Erkundung VOR Betreten des Gebäudes sollte alle Seiten des Gebäudes einschließen. Nur so können eine korrekte Lageeinschätzung und die Wahl der richtigen Taktik erfolgen.
Quelle: www.firefighternearmiss.com
(ih) Bad Soden am Taunus (Hessen). Nachdem gerade die Ausbildungsabschnitte in der Brandsimulationsanlage "Fire Dragon", eine Ausbildung Notfallmaßnahmen beim Atemschutzeinsatz durch Kameraden der BF Köln sowie die Heißausbildung von 20 Kameraden bei Heat Düsseldorf abgeschlossen waren, kam die heiße Probe aufs Exempel. Am Donnerstag, dem 14. Juli 2005, um 14:50 löste die Leitstelle des Main-Taunus-Kreises Löschzugalarm für die Feuerwehren der Stadt Bad Soden am Taunus (Altenhain, Bad Soden und Neuenhain) mit dem Stichwort: "Brennt Wohnhaus nach Explosion" aus. Die drei Feuerwehren mit insgesamt 60 Kameraden(Innen) sowie Rettungsdienst waren insgesamt über fünf Stunden im Einsatz und das bei über 30°C. Schon auf der Anfahrt konnte eine enorme Rauchsäule über dem Stadtteil Altenhain festgestellt werden.
Einsatzbericht
Objekt: Schwer zugängliches, unterkellertes Einfamilienhaus mit harter Bedachung (Walmdach), ausgebauter Dachboden, ausgebautes Untergeschoss, Gasheizung (Therme im UG).
Lage: Explosion im UG, Feuerschein im EG und UG, gesamtes Objekt stark verraucht. Nach Auskunft des Hauseigentümers keine Personen im Objekt. Der Rauch aus dem Objekt war pechschwarz und kam teilweise stark pulsierend.
Der Einsatzleiter entschied sich für die Taktik Innenangriff von zwei Seiten des Objektes und Abriegeln des Nachbarschaftsobjektes mittels B-Rohr. Die Trupps versuchten zunächst die Rauchgase herunterzukühlen. Trotzdem kam es zu mehreren Durchzündungen des Rauchgasgemisches. Durch die enorme Thermik konnte der eigentliche Brandraum zunächst nicht erreicht werden. Von den eingesetzten Trupps wurde immer wieder über 2 m. die prekäre Situation durchgegeben, so dass alle Einsatzkräfte im Bereich der Brandstelle informiert waren. Durch den Einsatz von 3 Hohlstrahlrohren wurde die Temperatur soweit heruntergekühlt, dass der eigentliche Brandraum erreicht wurde. Nach einigen Minuten wurde dann, nach exakter Wegbeschreibung durch den Hauseigentümer, die Hauptgasabschieberung gefunden. So konnte ein wichtiger Gefahrenschwerpunkt ausgeschaltet werden.
Die geschmolzenen Regaltteile im Brandraum mussten mittels fünf PG 12 abgelöscht werden, weil Wasser hier seine Wirkung verweigerte. Die eingesetzten PA-Trupps wurden laufend getauscht, Reservetrupps standen selbstverständlich bereit. Die aus dem Objekt kommenden Trupps wurden sofort mit Unmengen von Trinkwasser versorgt, was nicht nur wegen der hohen Temperaturen und der Hitze im Objekt unabdingbar war. Manch einer kühlte sich auch mit bereit liegenden C-Rohren die Temperatur etwas herunter. Weitere Glutnester wurden nun abgelöscht, das Objekt belüftet und nach Rücksprache mit der Polizei Brandschutt ausgeräumt. Eine Brandwache für die nächsten 6 Stunden zur regelmäßigen Kontrolle wurde angeordnet. Die Bilder zeigen deutlich, mit welcher Kraft die Rauchgasdurchzündungen gewirkt haben. Nach Meinung der Kriminalpolizei kann man aus der Sicht der Brandursachenermittlung hier nicht nur von einem "flash over" sprechen, sondern ursprünglich von einer Untergruppierung des "flashes", dem "Backdraft", da bei der ersten Explosion vermutlich der Brand fast erloschen war. Durch die Pyrolyse befanden sich im Raum aber noch genügend brennbare Gase und Dämpfe, die durch das unmittelbare Zuführen von Sauerstoff (geplatztes Fenster o.ä.) und einer Zündquelle (Glutnest oder elektrischer Verbraucher), explodierten.
Eingesetzte Kräfte: Feuerwehren Altenhain, Bad Soden und Neuenhain, stellv. Kreisbrandinspektor, Kreisbrandmeister, Rettungsdienst (2 RTW), Organisatorischer Leiter Rettungsdienst, Leitender Notarzt, DRK OV Bad Soden, Polizei, Kriminalpolizei (Brandursachenermittlung), Gasversorgungsunternehmen, Stromversorgungsunternehmen
Fazit
Die realistischen Ausbildungsstationen für Atemschutzgeräteträger können gar nicht hoch genug bewertet werden. Das Erkennen des pulsierenden Rauches durch die ersten Trupps und die getroffenen Maßnahmen zeigen eindeutig, dass eine "Heißausbildung" ohne Alternative ist.
Bildquelle: Feuerwehr Altenhain, Feuerwehr Bad Soden
Quelle: Rolf Junker, Hermann Zengeler, Feuerwehr Bad Soden
(ar/kd) Antwerpen (Belgien). Am 5. August 2005 kam es in Antwerpen zu einem Brand in einem vierstöckigen Altbau. Ein Trupp suchte im 2. OG nach vermissten Personen. Stattdessen wurde dort jedoch ein kleiner Schwelbrand entdeckt. Nachdem das Feuer unter Kontrolle war, leitete die DLK 1 die Suche und Rettung in den oberen Geschossen ein. Die DLK wurde eingesetzt, da das Treppenhaus vom Feuer beschädigt war. Kurz nach dem Einstieg in das 3. OG zündete jedoch das 2.OG durch. Der Trupp im 3. OG bemerkte die schnelle Brandausbreitung und trat den Rückzug über DLK 1 an. Die DLK 1 blieb angeleitert, da von dieser Etage kein anderer Weg ins Freie führte. Der Maschinist der DLK 1 wartete, bis der komplette Trupp im Korb war. Gerade als alle im Korb waren, gab es eine Durchzündung im 2.OG; der gesamte Korb und die FA wurden von den Flammen eingehüllt.
Durch qualitativ hochwertige, vollständig getragene PSA und viel Glück wurde kein Truppmitglied verletzt. Der Korb hingegen brannte vollständig aus.
Die kompletten Ursachen für diesen Beinaheunfall sind unklar. Folgende Faktoren waren vermutlich erschwerend:
- Der Trupp führte keine Schlauchleitung mit sich. Hätte er diese bei sich gehabt, hätte er den Schwelbrand im 2. OG löschen können.
- Über die DLK 2 wurde durch eine Ventilationsöffnung im Dach (geplatztes Fensterglas) ein Außenangriff vorgenommen. Dadurch wurde die Natürliche Ventilation behindert und das Potential für eine schnelle Brandausbreitung erhöht.
Bei diesem Einsatz starben außerdem zwei Bewohner des Hauses; mehrere andere Bewohner konnten gerettet werden.
Hinweis: In der BRANDSchutz-Ausgabe 2/2006 finden Sie einen ausführlichen Bericht mit zahlreichen Bildern. Atemschutzunfaelle.eu übersetzte den Artikel, der unter dem Titel "Beinaheunfall unter Atemschutz: Rettungskorb der Drehleiter wird von Flammen erfasst" zu finden ist.
Quellen: Atemschutzunfaelle.de-Team, Frank Boelens (777, Fotos) und www.firefighterclosecalls.com
(ih) Bad Soden/Taunus (HE). Aus bislang ungeklärter Ursache kam es am 27. Dezember 2005 zu einem Wohnungsbrand im Stadtgebiet Bad Soden/Ts, bei dem eine Person verstorben ist. Feuerwehren und Rettungsdienst waren mit einem Großaufgebot an der Einsatzstelle.
Als die ersten Einsatzkräfte an der Einsatzstelle eintrafen trat bereits dichter schwarzer Rauch aus der Eingangstür sowie der Terassentür, teilweise mit Flammenerscheinung. Da noch eine Person in dem Gebäude vermutet wurde, gingen sofort 3 Trupps unter umluftunabhängigem Atemschutz mit 2 C-Rohren in das Gebäude vor.
Während des Einsatzes wurde der Truppführer des Angriffstrupps von einer umgestürzten Schrankwand im Beinbereich eingeklemmt. Der Truppmann konnte ihn nicht alleine befreien und setzte einen Notruf ab. Daraufhin wurden, die auf beiden Gebäudeseiten gestellten Sicherheitstrupps aktiv.
Die Trupps befreiten den verunfallten AGT und verbrachten ihn aus dem Gebäude, wo er dem Rettungsdienst übergeben wurde.
Das Sicherheitstruppsystem wird in Bad Soden seit dem Jahr 2001 konsequent geschult und ist fester Bestandteil in der Einsatztaktik.
Quelle: Kai Beuthien, FF Bad Soden/Taunus